Montag, 07.10.2024

An diese Dinge erinnert man sich nur, wenn man in den 90ern jung war

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Elena Fischer
Elena Fischer
Elena Fischer ist eine engagierte Reporterin, die mit ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer Hartnäckigkeit beeindruckende Geschichten erzählt.

Vielfach merkt man das Älterwerden nicht so sehr daran, dass plötzlich die Gelenke zu einem sprechen oder die Haare an Dichte und Farbe verlieren. Nein, sondern weil Dinge, die einem in der Erinnerung noch gar nicht so lange her vorkommen, derzeit ein Revival feiern. Wer aktuell offenen Auges durch Peine geht, wird diesbezüglich gerade bei der jüngeren Damenwelt auffällig vieles sehen, was verdächtig wie die in der zweiten Hälfte der 1990er ebenfalls schon hochbeliebte Kombination aus bauchfreiem Top und kräftigem Schlag in den Hosenbeinen aussieht.

Nicht zuletzt deshalb, weil die Vorbereitungen auf die gigantische „Y2K“ Silvestersause sich bald zum 25. Mal jähren und Oasis offenbar ein Comeback machen wollen, haben wir für diesen Text einmal die rosarote Brille angezogen und einen Blick zurück in eine Jugend geworfen, die auch viele Peiner so damals ganz ähnlich erlebt haben dürften – in einem Jahrzehnt, das vor Besonderheiten nur so sprühte. Eine Spielart der bekannten Textform „Diese Dinge kennst du nur, wenn du…“ Viel Spaß beim nostalgischen Schwelgen und vielleicht Neuentdecken.

Boygroup-Gekreische

Boygroups gab es schon vor den 90ern und auch noch danach. Allerdings war das Jahrzehnt definitiv die Hochzeit dieser meist gezielt gecasteten Gruppen. Hauptmerkmale: Jung, männlich (Ausnahmen wie die Spice Girls bestätigen die Regel), sehr attraktiv und bestens selbst für komplexe Choreographie-Tänze geeignet.

Singen konnten die Jungs von Take That bis zu den Backstreet Boys natürlich auch, vielfach nicht einmal schlecht, selbst wenn die Texte mit ihren meist liebesschmalzigen Inhalten auf eine sehr konkrete, primär junge, weibliche Zielgruppe zugeschnitten waren. Allerdings war das mit dem Hören der poppig-eingängigen Sounds oft so eine Sache – zumindest auf Konzerten und deren TV-Übertragungen.

Dort wurden die normalerweise problemlos Stadion-beschallenden Soundsysteme typischerweise von einem tausendstimmigen Jubelgekreische der anwesenden Fans überlagert. So mancher und manche, die damals das karge Taschengeld gegen teure Konzertkarten tauschten, kam deshalb mit ziemlich klingelnden Ohren aus der Halle – und hatte von den Boys hauptsächlich etwas für die Augen gehabt.

Ruck-eln-der Discman-Sound

Was die transportablen Musiksysteme anbelangte, waren die 90er zweigeteilt. Wie schon ein Jahrzehnt zuvor hatte der Walkman als tragbares Abspielgerät für Musikkassetten gigantische Bedeutung – schon deshalb, weil es damals erheblich erschwinglicher und praktischer war, in Eigenregie Tapes aufzunehmen als CDs zu brennen. Denn CD-Brenner waren teuer, passende Computer noch längst nicht in jedem Haushalt zu finden und manche CD-Spieler weigerten sich, gebrannte Disks abzuspielen.

Dennoch trat der ebenfalls von Sony lancierte und vielen anderen Firmen kopierte Discman (ein weiterer Produktname, der zum Gattungsbegriff wurde) als würdiger Nachfolger an – und wurde im Verlauf der 90er allmählich erschwinglich genug, um wenigstens als Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk in greifbare Nähe zu rücken. Wer allerdings darauf seine Musik in einer nicht ganz ruckelfreien Umgebung zwischen Schulbus und Inline-Skates hören wollte, sah sich je nach Hersteller des Gerät vielfach mit einem etwas Stakkato-haften bis unhörbar ruckeligen Musikgenuss konfrontiert.

Der Grund: Damit die CD problemlos gelesen werden kann, muss der Laser absolut stabil bleiben. Das konnte jedoch durch Bewegungen gestört werden. Da Speicherplatz damals kostbar war, hatten viele der tragbaren CD-Player nur einen Puffer für einige Sekunden. Hielt die Ruckelei länger an, wurde die Musik ebenfalls ruckelig. Gerade für aktive Menschen blieben Kassettenspieler deshalb die beliebtere Wahl – bis der mp3-Player solche Problemchen endgültig beseitigte.

Sehr bunte Schulhöfe

Die 90er waren im Vergleich zu heute von einer enormen Vielfalt von sehr distinktiven Jugendkulturen geprägt. Auf der Negativseite sorgte das für ein aus heutiger Sicht reichlich bedenkliches Lagerdenken. Auf der Positivseite hingegen waren damalige Schulhöfe äußerst bunte Orte.

Denn wirklich alle zwischen Ravern, Skatern und Kelly-Family-Anhängern hatten ihre eigenen Dresscodes, Accessoires und sonstigen Erkennungsmerkmale. Das sorgte in so manchen Elternhäusern für häufigen Verdruss, weil insbesondere jüngere Teenager in der Breite nicht so sehr dazu neigen, bestimmte Ansichten sonderlich lange zu pflegen. Dafür hatten jedoch nicht zuletzt die Versandhäuser in Sachen Musik-Shirts und ähnlichen Stücken geradezu goldene Zeiten.

Swatches und G-Shocks

Die heutige Jugend trägt Smartwatch – wie ein Großteil aller anderen Altersgruppen. Wer jedoch in den 1990ern jung war, dessen Sinn stand höchstwahrscheinlich nach einer anderen Art von Handgelenks-Zeitmesser.

Wer dazu etwas mit Zeiger haben wollte, der griff dazu in die gigantische Vielfalt des Schweizer Herstellers Swatch. Der konnte damals für sich in Anspruch nehmen, durch seine sehr günstigen, poppigen Armbanduhren die durch die Quarz- und Digitaluhrwelle arg bedrängte Schweizer Uhrenindustrie fast im Alleingang gerettet zu haben.

Wer dagegen die Zeit in Zahlen ablesen wollte, für den gab es eigentlich nur eines – natürlich mit eine der teuersten Optionen damals. Die G-Shock genannte Uhrenreihe des japanischen Herstellers Casio. Die war zwar schon 1983 aus der Taufe gehoben worden, um Uhren zu liefern, die eine extreme Robustheit und Langlebigkeit aufwiesen. In den 90ern wurde sie jedoch mit großen, bunten, extrem funktionsvielfältigen Zeitmessern ein Lifestyle-Hit der jungen Generation.

Eine der beiden Uhrentypen war damals an fast jedem jugendlichen Handgelenk zu sehen – oder wenigstens etwas, das so ähnlich aussah, aber günstiger war.

Hypnotisierende Bildschirmschoner

In den 90ern stieg der Digitalisierungsgrad deutscher Haushalte dramatisch an. Insbesondere, nachdem das stark gehypte Betriebssystem Windows 95 herauskam, gehörte dazu auch vielfach ein PC – selbst wenn sich hierzulande eher wenige damit ins langsame, noch nach Minuten abgerechnete Internet trauten.

Da jedoch die absolute Majorität aller Computer an einem Röhrenmonitor angeschlossen war, bestand bei längeren Standbildern jedoch die Gefahr eines „Einbrennens“ sichtbarer Elemente und dadurch dauerhafte Geisterbilder.

Da das abseits von Videospielen am Computer eine realistische Gefahr war, setzten die Betriebssystemhersteller auf sich bei Untätigkeit rasch einschaltende Bildschirmschoner. Und so mancher, der damals beispielsweise um die Hausaufgaben herum-prokrastinieren wollte, bemerkte sehr schnell die geradezu hypnotische Wirkung dieser aus heutiger Sicht grob animierten Bilder.

Poesie-Alben

Zur 1990er-Jahre Einschulung gehörte die Schultüte noch felsenfest dazu. Die Inhalte mochten sich stark unterscheiden, allerdings gab es eine verdächtig hohe Schnittmenge bei einem Geschenk: das vorgedruckte Poesie-Album.

Je eine Doppelseite für jeden Klassenkamerad, jede Reitfreundin, jeden Fußballkumpel. Einzutragen waren diverse Informationen, bei denen angesichts der minderjährigen Schreibenden heutige Datenschützer wahrscheinlich die Stirn in tiefe Falten legen würden. Ebenfalls problematisch an der Sache: Meistens war das Poesie-Album mindestens für einen Tag bei demjenigen, der sich eintragen sollte. Es gefüllt zu bekommen, wurde deshalb rasch zeitraubend.

Getoppt wurde das nur von einer Sache: Mangel an einzuklebenden Passfotos. Wer in seiner Klasse beliebt war, also häufig andere Poesie-Alben überreicht bekam, der konnte deshalb nur hoffen, dass Mama und Papa mit ihm entweder zum Fotografen oder Passfoto-Automaten gingen und die Spendierhosen trugen; in einer Zeit vor weitverbreiteten Digitalkameras und heimischen Fotodruckern waren die kleinen Bilder ausnehmend kostspielig.

Pustegeräusche aus Gamer-Zimmern

Man könnte eigene Liebesartikel nur über jenen Acht-Bit-Sound schreiben, der in den 90ern die musikalisch-technische Hintergrundbeschallung vieler Kinder- und Jugendzimmer darstellte. Doch so prävalent die piepsigen Klänge waren, so sehr waren sie untrennbar mit einem Geräusch verbunden, das weit weniger berühmt wurde – eher berüchtigt.

Es ist der Klang unter starkem Druck die gespitzten Lippen verlassender Luft, tunlichst darauf achtend, dabei keinen Speichel auszustoßen. In einer Zeit, in der Konsolen-Videospiele ausnahmslos (bis zum Erscheinen der ersten PlayStation 1995) auf Modulen bzw. „Cartridges“ gespeichert waren, mussten die über metallische Leiter den Kontakt zur Konsole aufnehmen. Das klappte jedoch nicht immer, das Spiel startete nicht.

Als Universallösung galt damals, feste in den Kontaktschlitz der Spiele-Module zu pusten, um Staub und andere Kontaktstörungen zu entfernen. Tatsächlich funktionierten die Spiele danach meistens wieder. Allerdings: Wie es unter anderem die Reparaturplattform iFixit genauer untersuchte, handelte es sich eher um einen Placebo-Effekt. Die wirkliche Lösung bestand nur im Herausziehen und wieder Hineinstecken, das Pusten war zwecklos.  

Psychedelische Schulranzen

Dieser finale Punkt war überwiegend ein Grundschul-Phänomen. In weiterführenden Schulen war eher ein möglichst cooler Rucksack angesagt: Für viele erst von 4YOU, mit fortschreitender Pubertät dann auf Eastpack wechselnd – wobei damalige Nonkonformisten alternativ gerne zu ausgemusterter Bundeswehrware vom örtlichen Militär- und Outdoor-Händler griffen. In der Grundschule waren hingegen fast alle gleich. Dort war der quadratisch-praktische Ranzen des Herstellers Scout nahezu Pflicht. Sein Markenzeichen waren neben der streng geometrischen Form vor allen die konträr dazu manchmal fast ans Psychedelische grenzenden Farb- und Musterkombinationen. Durch den farbigen Querstreifen der Fronttasche und die Reflektoren in den beiden Schnappverschlüssen des Hauptfachdeckels ergab sich zudem ohne viel Fantasie ein Gesicht – das wiederum aus heutiger Sicht eine gewisse Ähnlichkeit mit einem anderen 90s-Kultobjekt in Form des Furby nicht ganz verleugnen kann.

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